Pressemitteilung

Bündnis kritisiert die skandalösen Arbeits- und Lebensbedingungen von Migrant*innen in Deutschland in Zeiten von Covid 19

Zentrale gesellschaftliche Bereiche würden ohne migrantische Arbeitskräfte nicht funktionieren: die Lebensmittelindustrie (z. B. Fleischproduktion und -verarbeitung), Pflege, Medizin, Erziehung, Transport, aber auch klassische Industriebereiche wie die Autoindustrie. Dort arbeiten und leben Migrant*innen unter skandalösen Bedingungen. Doch gegen Arbeitszeitüberschreitungen, Lohndumping, mangelhafte bis gar keine Arbeitsschutzmaßnahmen, menschenunwürdige Unterbringungen, Körperverletzungen durch Vorarbeiter und Chefs, usw. geht seit Jahren niemand ernsthaft vor. Dabei sind die Zustände etwa in den Fleischfabriken katastrophal. Migrantische Fleischproduzenten*innen müssen in überfüllten Sammelunterkünften wohnen. Sie werden in überfüllten Kleinbussen transportiert und stehen ohne Schutz eng an eng an den Fließbändern.

Erst als die Medien während der Corona-Pandemie die skandalösen Verhältnisse aufgreifen und Betroffene sie als sklavenhalterische Behandlung öffentlich anprangern, reagiert die Bundesregierung. Sie kündigt mehr Kontrollen und Schutzmaßnahmen an. Außerdem ein Gesetz zum Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in den Großbetrieben der Fleischindustrie. Arbeiter*innen berichten allerdings aus diesen Fabriken, dass Kontrollen schon vorher bekannt sind. Die Schweinelobby läuft zudem gegen das drohende Verbot von Werkverträgen Sturm. Ungeniert schielt sie auf gesetzliche Ausnahmeregelungen.

Wir fordern, dass endlich konsequent gegen Missstände vorgegangen wird:

Abschaffung der Werkverträge und der sachgrundlosen Befristung,
Erhöhung des Mindestlohns auf mindestens 12 Euro/Stunde, keine Lohnabzüge für Werkzeug, Arbeitskleidung o. ä.; keine Strafen für vermeintliches Fehlverhalten,
voll umfänglicher Arbeitsschutz nach aktuellen medizinisch notwendigen Standards,
Einhaltung von vorgeschriebenen Pausen und Ruhetagen,
respektvoller Umgang mit den Beschäftigten jeglicher Nationalität,
Schutz vor ausbeuterischer und menschenunwürdiger Unterbringung.
Insgesamt halten wir eine nachhaltige Umstellung auf eine ökologische, faire und regionale Lebensmittelproduktion und -verarbeitung für notwendig!

Wir fordern eine menschenwürdige Existenzsicherung!

Mit der Forderung gerechter und fairer Arbeitsbedingungen ist die Forderung nach einer menschenwürdigen Existenzsicherung unmittelbar verbunden. Der erschwerte Zugang zu Sozialleistungen trägt zur Aufrechterhaltung ausbeuterischer Arbeitsbedingungen bei. Denn sonst können sich Betroffene kaum gegen ausbeuterische Arbeits- und Wohnbedingungen wehren. Dabei sind migrantische Arbeitnehmer*innen in besonderem Maße durch die Corona-Pandemie betroffen: Durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit in einigen Branchen, durch fehlende Kinderbetreuung, höhere Krankheitsanfälligkeit und einen erschwerten Zugang zu Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung. Dazu kommen noch z. B. sprachliche Hürden, die Knüpfung von Aufenthaltsrecht und existenzsichernden Leistungen an ein bestehendes Arbeitsverhältnis, ablehnende, mitunter rassistische Haltungen und institutionalisiertes Misstrauen in den Behörden.

Wir fordern eine konsequente Unterstützung von Migrant*innen durch

mehrsprachige Informationen über das Sozial- und Gesundheitssystem in Deutschland schon bei der Einreise (Anmeldung) und / oder bei der Arbeitsaufnahme,
mehrsprachige und kostenlose Informationen und Anträge zum Arbeitslosengeld I (SGB III) und Arbeitslosengeld II (SGB II),
ein mehrsprachiges, kostenloses und zeitnahes Angebot an Dolmetscher*innen bei der Bundesagentur für Arbeit, allen Jobcentern und den Optionskommunen,
Unterstützung bei der Anerkennung der vorhandenen Qualifikationen und Vermittlung in erlernte Berufe,
Unterstützung bei Obdachlosigkeit, Zugang zu Obdachlosenunterkünften,
keine Leistungsausschlüsse aufgrund von ausländerrechtlichen Bestimmungen.
Es kann nicht sein, dass Migrant*innen in Deutschland in gesellschaftlich dringend notwendigen Bereichen unter oft übelsten Bedingungen arbeiten müssen und nun in der aktuellen Pandemiesituation allein gelassen werden. Wir fordern den Bund und die Handelnden vor Ort in den Jobcentern, Sozialämtern, Ausländerämtern der Kommunen, usw. auf, ihrer Verantwortung für die betroffenen Menschen endlich gerecht zu werden!

Das Bündnis ‚AufRecht bestehen‘ wird getragen von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO), „ARBEITSLOS – NICHT WEHRLOS“ Wolfsburg (ANW), Gruppe Gnadenlos Gerecht Hannover, Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe im DGB-KV Bonn/Rhein-Sieg, Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen (BAG-PLESA), Frankfurter Arbeitslosenzentrum e.V. (FALZ), Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), Tacheles e.V. Wuppertal, ver.di Bundeserwerbslosenausschuss, Widerspruch e.V. Bielefeld sowie vielen örtlichen Bündnissen und Initiativen

Pressekontakt:
Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen
Telefon: 030 / 86 87 67 0 -0
Telefax: 030 / 86 87 67 0 -21

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